Friedensnobelpreis 1910: Internationales Ständiges Friedensbüro

Friedensnobelpreis 1910: Internationales Ständiges Friedensbüro
Friedensnobelpreis 1910: Internationales Ständiges Friedensbüro
 
Das von dem Dänen Frederik Bajer gegründete Büro erhielt den Friedensnobelpreis für die Organisation von Friedenskongressen und die Koordination der Arbeit der Friedensgesellschaften.
 
 
Internationales Ständiges Friedensbüro, gegründet 1891 auf dem Dritten Universellen Friedenskongress in Rom, Sitz in Bern, ab 1924 Sitz in Genf, im Zweiten Weltkrieg kam die Arbeit des Büros zum Erliegen, 1946 Neugründungunter anderem Namen, seit 1962 wieder mit dem alten Namen.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Als das Internationale Ständige Friedensbüro 1910 den Friedensnobelpreis erhielt, lag seine Gründung bereits knapp 20 Jahre zurück.
 
Die Idee, die Aktivitäten des internationalen Pazifismus zu bündeln und ihnen ein dauerhaftes organisatorisches Zentrum zu geben, stammte von dem dänischen Politiker Frederik Bajer, der 1908 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Als Bajer 1890 auf der zweiten Konferenz der Interparlamentarischen Union in London seinen Vorschlag unterbreitete, stieß er bei den versammelten internationalen Abgeordneten sofort auf Zustimmung.
 
Offiziell ins Leben gerufen wurde das Ständige Friedensbüro ein Jahr später auf dem Dritten Universellen Friedenskongress in Rom. Als Sitz der Institution einigte man sich auf Bern in der neutralen Schweiz. Zum ersten Präsidenten wurde Frederik Bajer gewählt, der dieses Amt bis 1907 bekleidete. Das Generalsekretariat übernahm eine weitere Berühmtheit der internationalen Friedensbewegung: der Schweizer Élie Ducommun, später einer der beiden Friedensnobelpreisträger von 1902. Ducommun leitete die Geschäfte des Büros bis zu seinem Tod im Jahr 1906. Als oberstes Gremium wurde eine Generalversammlung eingesetzt, die einmal im Jahr zusammentreten sollte.
 
 Ablehnung des Rechts, Kriege zu führen
 
Bei der Gründungsversammlung einigte man sich auf eine Reihe von Prinzipien als Leitlinien für die künftige Arbeit des Friedensbüros und als Forderungen an die Politik. Da niemand das Recht auf Selbstjustiz habe, so wurde formuliert, dürfe auch kein Staat einem anderen Staat den Krieg erklären. Alle Gegensätze zwischen den Völkern, hieß es weiter, müssten auf dem Rechtsweg geklärt werden. Kein Staat habe ein Recht auf Eroberung, und das Selbstbestimmungsrecht einer jeden Nation sei unverletzlich.
 
Mit Optimismus und Idealismus machte sich das Friedensbüro an die Arbeit. Kongresse wurden vorbereitet und veranstaltet, Resolutionen verabschiedet, Schriften zum Frieden veröffentlicht. Unermüdlich mischte man sich in die Tagespolitik ein, forderte bei Streitigkeiten Schiedsgerichte, mahnte bilaterale Friedensverträge an, setzte sich für einen Internationalen Gerichtshof ein (was im Haager Schiedshof verwirklicht wurde) und entwickelte Vorstellungen von übernationalen politischen Entscheidungsgremien. Fast alle Friedensnobelpreisträger dieser Zeit arbeiteten eng mit dem Büro zusammen und empfingen von ihm wichtige Anregungen für ihre Arbeit. Mit all diesen Aktivitäten erreichte das Friedensbüro eine große öffentliche Aufmerksamkeit, und nicht zuletzt seinem großen Wirkungsgrad verdankte es die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis.
 
Gelegentlich wurde in aktuellen politischen Auseinandersetzungen auch Partei ergriffen. Das war verstärkt der Fall, als nach dem Tod Ducommuns der Schweizer Jurist Charles Albert Gobat das Generalsekretariat übernahm. Gobat (Nobelpreis 1902) unterstützte beispielsweise 1911 die französische Position im Dauerkonflikt mit Deutschland um Elsass-Lothringen.
 
Während des Ersten Weltkriegs bestand das Friedensbüro fort, hatte aber in dieser Zeit naturgemäß wenig Einfluss, auch wenn Gobats Nachfolger, der Franzose Henry Golay, versuchte, das Büro auf einen Kurs gegen Deutschland und Österreich-Ungarn zu bringen.
 
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Büro nach Genf verlegt (1924), dem Sitz des neuen Völkerbunds. Durch einen engen Anschluss an diese Organisation versuchte das Friedensbüro seine Bedeutung in der internationalen Politik zu bewahren. Doch die allgemeine politische Lage hatte sich gewandelt. Mit dem Völkerbund existierte nun eine wenigstens auf dem Papier machtvolle internationale politische Vereinigung. Viele der Forderungen des Friedensbüros, wie etwa die Schiedsgerichtsbarkeit, waren allgemein akzeptierte politische Verfahrensweisen geworden. Um nicht völlig entbehrlich zu werden, konzentrierte sich das Friedensbüro in der Zwischenkriegszeit auf den Entwurf von Visionen einer dauerhaften Friedensordnung, womit die Aktivisten des Büros die Regierenden aber immer weniger erreichten. Auch hatte es inzwischen seine Rolle als Bindeglied der einzelnen Friedensgruppen verloren.
 
 Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg
 
Der Zweite Weltkrieg bedeutete das vorläufige Ende des Internationalen Friedensbüros. Seine Vermögenswerte gingen an die Schweizer Regierung über. Doch hatten die schrecklichen Jahre des Kriegs in aller Deutlichkeit vorgeführt, dass eine Organisation, die sich mit Nachdruck für den Frieden einsetzte, alles andere als entbehrlich war. Bereits im Jahr 1946 trafen sich Vertreter von ehemaligen Mitgliedsorganisationen des Friedensbüros in Genf, um die Möglichkeiten einer Wiederbelebung auszuloten. Das Ergebnis war die Gründung eines neuen Komitees, das schließlich im Jahr 1961 von der Schweizer Regierung als Rechtsnachfolger der ehemaligen Organisation anerkannt wurde. Damit war auch die finanzielle Grundlage gesichert, denn die neue Organisation gelangte nun wieder in den Besitz der Vermögenswerte des ursprünglichen Friedensbüros. Ein Jahr später wurde auch, über ein halbes Jahrhundert nach der Verleihung des Friedensnobelpreises und nach zwei Weltkriegen, der alte Name Internationales Ständiges Friedensbüro wieder angenommen. Die umfangreichen Archive und die Bibliothek — die unschätzbare Dokumente zur Geschichte der internationalen Friedensbewegung beherbergen — fanden ihren neuen Platz in der Bibliothek der Vereinten Nationen in Genf.
 
Wie früher steht die Mitgliedschaft im Friedensbüro jeder Organisation oder Gesellschaft offen, die sich für den Frieden einsetzt. Entsprechend den neuen Anforderungen haben sich Ziele und Inhalte der Arbeit des Friedensbüros jedoch abermals gewandelt. Zwar will man weiterhin, wie bereits vor mehr als 100 Jahren, »der Sache des Friedens dienen durch die Förderung von internationaler Zusammenarbeit und durch die gewaltfreie Lösung von internationalen Konflikten«. Doch im Gegensatz zu früher sieht sich das Friedensbüro nicht mehr als Geschäftsführung der internationalen Friedensbewegung. Es wird nicht mehr der Anspruch erhoben, in allen Fragen von Krieg und Frieden ein entscheidendes Wort mitzusprechen. Vielmehr konzentriert sich die heutige Arbeit auf bestimmte Einzelthemen, zu denen Konferenzen und Kongresse veranstaltet werden. In jüngster Zeit hat sich das Büro dabei verstärkt dem Thema Abrüstung zugewandt, und einen weiteren Schwerpunkt bildet der Kampf gegen Nukleartests.
 
H. Sonnabend

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Bureau International Permanent de la Paix — Logo Vorstandstreffen des Internationalen Ständigen Friedensbüros in Bern 1899 …   Deutsch Wikipedia

  • Friedensnobelpreisträger — Der Friedensnobelpreis ist eine Auszeichnung für besondere Verdienste in der Friedensarbeit. Er wurde von dem schwedischen Erfinder und Industriellen Alfred Nobel gestiftet. Diese Auszeichnung wird seit 1901 jedes Jahr am Todestag Alfred Nobels,… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Friedensnobelpreisträger — Der Friedensnobelpreis ist eine Auszeichnung für besondere Verdienste in der Friedensarbeit. Er wurde von dem schwedischen Erfinder und Industriellen Alfred Nobel gestiftet. Diese Auszeichnung wird seit 1901 jedes Jahr am Todestag Alfred Nobels,… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Nobelpreisträger — 100 Jahre Alfred Nobel Testament …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Schweizer Nobelpreisträger — Angeregt von Bertha von Suttner, wird seit 1901 aus den Stiftungsgeldern des schwedischen Chemikers und Industriellen Alfred Nobel (1833 1896) der Nobelpreis finanziert. Folgende Schweizer erhielten die Auszeichnung: Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

  • Schweizer Nobelpreisträger — Angeregt von Bertha von Suttner, wird seit 1901 aus den Stiftungsgeldern des schwedischen Chemikers und Industriellen Alfred Nobel (1833 1896) der Nobelpreis finanziert. Folgende Schweizer erhielten die Auszeichnung: Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”